Ab dem 1.7.2020 für voraussichtlich ein halbes Jahr wurde die Mehrwertsteuer gesenkt. Was bedeutet das und was muss getan werden?
Wie hilfreich das ist, was da von der Bundesregierung beschlossen worden ist, mag jede/r selbst bewerten. Fakt ist, dass es nicht nur für Händler, sondern auch für Dienstleistungsunternehmen und (umsatzsteuerpflichtige) Freelancer einige Mehrarbeit bedeutet. Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19% auf 16% wirft Fragen auf und führt zu Aufgaben, die jetzt schnell erledigt werden müssen. Denn die Frage ist, was beispielsweise mit Leistungen geschieht, die bereits erbracht, aber noch nicht abgerechnet wurden oder mit alten Angeboten.
Wichtig zu wissen
Dienst- und sonstige Leistungen
Die Höhe des Steuersatzes bei Dienst- und sonstigen Leistungen hängt davon ab, wann die Leistung vollendet wird oder wurde. Wenn ein Kunde eine Dienstleistung im Mai oder Juni in Anspruch genommen hat und die Rechnung erst nach dem 1. Juli verschickt wird, gilt noch der alte Mehrwertsteuersatzes. Umgekehrt gilt: Wenn die Leistung für den Zeitraum Mai bis August erbracht wird, muss der neue Satz verwendet werden. Das gilt auch für Teilleistungen. Bei Werklieferungen/-leistungen ist das Datum der Abnahme für den Steuersatz entscheidend. Bei Dauerleistungen gilt der Tag, an dem der Leistungszeitraum endet.
Es ist also nicht wichtig, wann die Rechnung erstellt oder bezahlt wird, sondern es zählt nur, wann die Leistung fertiggestellt worden ist/wird.
Laufende Verträge
So sind auch alle laufenden z.B. Honorar-Verträge bezüglich des Steuersatzes zu prüfen. Vor allem dann, wenn der Vertrag als Rechnung dient. Entscheidend hierbei ist die konkrete Formulierung im Vertrag. Wichtig ist auch, ob Brutto- oder Netto-Preise vereinbart worden sind.
Anzahlungen
Werden vor dem 1. Juli 2020 Anzahlungen/Vorschüsse für Leistungen vereinnahmt, die zwischen dem 1. Juli und 31. Dezember 2020 erbracht werden (Leistungszeitpunkt), dann gilt für diese Anzahlungen zunächst der bisherige Steuersatz von 19 Prozent bzw. sieben Prozent. Die Steuer muss dann in der Schlussrechnung sowie in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Zeitraum, in dem die Leistung erbracht wird, korrigiert werden. Ist ein Projekt über den Stichtag hinaus gelaufen und wurde entsprechend vorfinanziert, wird wenigstens ein Teil mit 16% verrechnet. Am Schluss verbleibt ein Guthaben des Kunden, das ggf. nachträglich verrechnet werden muss.
Eventuell ist es auch nötig, eine bereits gestellte Rechnung zu stornieren. Nämlich dann, wenn sonstige Leistungen erst nach dem Stichtag fertig sind oder der Leistungszeitraum endet. In diesem Fall ist eine Stornorechnung und die Erstellung einer neuen Rechnung mit dem neuen MwSt-Satz nötig. Ist die erste Rechnung bereits bezahlt worden, hat der Kunde ein Guthaben das mit der nächsten Rechnung verrechnet wird oder ggf. eine Gutschrift erhält.
Organisatorischer Handlungsbedarf
Vor dem 1.7.2020 ist sicherzustellen, dass ab 1.7.2020 überall die neuen USt-Sätze von 16 % bzw. 5 % angewendet werden.
- Prüfung/Änderung der UST-Sätze in den Stammdaten der Agentursoftware oder anderer eingesetzter Fakturierungsprogrammen, Buchhaltungssoftware, Bestellsoftware etc.
- Verträge und Angebote prüfen: Diese nur dann, wenn pauschale Inklusiv-Leistungen angeboten wurden – was in Agenturen eigentlich seltener vorkommt – oder die Mehrwertsteuer explizit ausgewiesen wurde und also NICHT die allgemein gültige Floskel „genannte Preise verstehen sich zuzüglich der gesetzliche MwSt“ (oder ähnlich) eingesetzt worden ist. Aber auch hier gibt es ja teils Zusätze wie „… von derzeit x %“.
- Textbausteine prüfen und ändern.
- Bitte auch die Vorlagen prüfen! Gerade dann, wenn keine Software für die Angebots-, Auftragsbestätigungs- und Rechnungserstellung verwendet wird, können sich hier Fehler einschleichen. Leider werden nach wie vor viele Dokumente in Officeprogrammen wie MS Word, MS Excel oder sogar in Pages erstellt.
- Bitte verzichten Sie eine Zeitlang auf die beliebte Erstellung von Angeboten und Rechnungen per Copy-Paste 🙂
- Geändert werden müssen auch Flyer, Webseiten-Texte, Pauschalpaket-Präsentationen etc., wenn dort Mehrwertsteuer-Sätze genannt wurden.
Leistungen jetzt abrechnen!
Rechnungen und Leistungen sauber trennen
Um dem erhöhten Aufwand zuvorzukommen, der dadurch entstehen wird, wenn Rechnungen später korrigiert oder nachträgliche Gutschriften für zu viel berechnete Steuern erstellt werden müssen, ist es ratsam, jetzt alles – also Leistungen, Spesen und Auslagen – abzurechnen, was abgerechnet werden kann. Auch die bis jetzt erbrachten Leistungen aus pauschalen Leistungspaketen und Verträgen (z.B. mit Teil- oder Abschlagszahlungen). Hier muss der Anteil, der bis 30.06.2020 geleistet wurde, auch mit 19% abgerechnet werden. Sprechen Sie mit Ihren Kunden, denn es lohnt sich bei Pauschalprojekten, diese bis zum Stichtag abzurechnen.
Rechnungsprüfung
Leider fällt auch eine weitere Aufgabe an: die Prüfung der eingegangenen Eingangsrechnungen! Hier ist auf den Leistungszeitraum zu achten und die Rechnung ggf. zu beanstanden.
Umsatzsteuersenkung – Umstellungen in Software
Welche Schräubchen müssen in Ihrer Buchhaltungs-, Faktura- oder Unternehmenssoftware ge- oder verstellt 🙂 werden, damit die Anforderung korrekt umgesetzt werden kann.
Ich habe eben nachgesehen, ob es – wie von mir angenommen – in der von mir zur Verwaltung meiner Projekte eingesetzten Software ein Problem darstellt, die Herausforderung „Mehrwertsteuersenkung für einen gewissen Zeitraum“ umzusetzen. Nun kann ich sagen: „Jein!“ Ein Teil der weiter unten dargestellten Anforderungen wuppt die Software problemlos, andere nicht. Prüfen Sie, wie unkompliziert oder kompliziert das in Ihrer Software ist.
Anforderungen
Ändern der Mehrwertsteuersätze
Um die geänderten Steuersätze nutzen zu können, müssen sie in den Stammdaten der Software angepasst werden können. Hier ist es vorteilhaft, wenn die Software das Hinzufügen weiterer Sätze zulässt und die aktuell gültigen als „aktiv“ gekennzeichnet werden können. Alternativ müssen die bestehenden durch die neuen Sätze ersetzt werden. Klären Sie vorher mit dem Anbieter, ob sich dies evtl. auf bestehende Daten auswirken könnte!
Sind beide Optionen nicht gegeben, müssen die Sätze wenigstens in der Bearbeitungsmaske der einzelnen Belege (Angebot, Auftragsbestätigung, Rechnung, Eingangsrechnungen) geändert werden können. Das ist zwar mühselig, weil es jedes Mal gemacht werden muss, ist aber zumindest eine Lösung. Ist auch das nicht möglich – schon mal über eine neue Software nachdenken… :o)
Unterschiedliche Mehrwertsteuer-Sätze in Positionen
Unser Umständen ist es für die Rechnungsstellung bei Verträgen oder Pauschalleistungen hinsichtlich Ihrer Leistungserbringung gut, wenn auf einzelne Positionen unterschiedliche Sätze angewendet werden können. So kann in einer gesamten Rechnung beispielsweise ein Projekt mit allen Leistungen mit Fertigstellung vor und nach dem 30.6. abgerechnet werden.
Vorlagen und Textbausteine
Eine gute Software lässt es zu, dass in Vorlagen und Textbausteinen über sogenannte Platzhalter die richtigen Inhalte zur Anwendung kommen. Auf diese Weise werden die Formularvorlagen mit den richtigen Inhalten erstellt. Wurde in Vorlagen und Textbausteinen eine feste Größe – also z.B. die Nennung von „19% MwSt“ im Summenteil der Rechnung fix eingegeben, muss das nun korrigiert werden.
Reports
Alle Auswertungen und Reports in denen die Umsatzsteuer eine Rolle spielt, sollten in der Lage sein, die Umsätze getrennt nach den Sätzen auszuwerten.
Schnittstellen
Auch ein Thema, bei dem Sie sich mit dem Anbieter in Verbindung setzen müssen. Setzen Sie eine übergreifende Unternehmenssoftware ein, die eine Schnittstelle zu einer Finanzbuchhaltungsprogramme oder DATEV bietet, müssen diese Übergaben vermutlich angepasst werden.
Gutschriften und Storno
Sind bereits (Voraus-)Rechnungen mit 19% MwSt geschrieben, deren Leistungszeitraum bzw. Fertigstellung nach dem Stichtag erfolgen, kann es notwendig sein, die Rechnung zu stornieren und neu zu schreiben. Ist sie bereits bezahlt worden, ist ggf. eine Gutschrift erforderlich. Gut, wenn die Software über beide Features verfügt.
Eingangsrechnungen/Fremdleistungen
Alles zuvor Geschriebene gilt natürlich auch für den umgekehrten Weg, also die Rechnungen, die Sie von Dienstleistern oder Lieferanten erhalten. Werden deren Rechnungen in Ihre Software übernommen, müssen die für die Ausgangsrechnungen bereits beschriebenen Anforderungen – Eingabe der neuen Sätze und postenspezifische Differenzierung – umgesetzt werden können. Wobei letzteres sowieso sinnvoll ist, da Sie vermutlich auch Rechnungen von Lieferanten erhalten, die unterschiedliche MwSt-Sätze (z.B. für Versandkosten) enthalten.
Wichtig: Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine steuerliche Beratung! Achten Sie auf die Informationen Ihres Steuerbüros!
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